2004 · Le jeu du kwi-jok ou le bourgeois gentilhomme · Lully · Molière · Vigner (DE)

Titre friendly: 
Der Bürger als Edelmann
Sous-titre: 
Molière · Lully · Vigner
Datum: 
2004

Im September 2004 inszeniert Vigner im Koreanischen Nationaltheater in Seoul LE JEU DU KWI-JOK oder LE BOURGEOIS GENTILHOMME (DER BÜRGER ALS EDELMANN) nach dem Komödienballett von MOLIÈRE und LULLY. Nach der Premiere in Seoul kommen die koreanischen Darsteller mit fünf außergewöhnlichen Vorstellungen nach Lorient. VIGNERs Inszenierung mit dem Französisch/Koreanischen Kulturpreis 2004 ausgezeichnet und als theatralischer Höhepunkt des 120. Jahrestages der franko-koreanischen Freundschaft 2006 erneut in Frankreich gezeigt: an der Opéra Comique in Paris im September, und am Quartz in Brest im Oktober.

"Ende 2002 lud mich das Koreanische Nationaltheater ein, gemeinsam mit seinem Ensemble das Werk eines französischen Klassikers einzustudieren. Auf der ersten Reise wurde mir klar, dass das TNC in verschiedenen künstlerischen Sparten tätig war, mir kam der Gedanke, diese in einem gemeinsamen Projekt zusammen zu bringen. Damals inszenierte ich gerade Duras an der Comédie-Française, dem ‚Hause Molières’. Die Geschichte von Savannah Bay spielt in Südostasien. Savannakhet ist der Name einer Provinz in Laos, wo Marguerite Duras ihre Kindheit und Jugend verbrachte und ihre leidenschaftliche Affäre mit ihrem chinesischen Geliebten erlebte. Die Landschaften, von denen man in dem Buch liest, verlocken einen, sie näher zu erkunden. Man kann sich vorstellen, dass irgendwann gegen Ende des 17. Jahrhunderts ein Schiff namens ‚Soleil d’Orient’, auf dem sich ein bretonischer Matrose befand, vom Handelshafen Lorient aus in See stach und nach einer langen Reise entlang der Küste Chinas in Korea landete."
ÉRIC VIGNER

"Als ich in Seoul ankam, war ich wie verzaubert von der Musik, dem Tanz und den Gesängen einer uralten aber höchst lebendigen Kultur, die mir vollkommen unbekannt war - einer Kultur mit vielen Elementen der Volkskunst, aber auch aristokratischen Zügen. Man muss Lullys Musik hören, wenn sie auf alten koreanischen Instrumenten gespielt wird! Schon aus Höflichkeit war es selbstverständlich, dass die Produktion, die wir in Südkorea erarbeitet hatten, auch nach Frankreich, und besonders nach Lorient kam, an den Ort, dessen Name und Geschichte unsere Phantasie dazu angeregt hatte, uns auf dieses Projekt einzulassen: De Lorient à l’Orient (Von Lorient in den Orient.)"
ÉV

Das Koreanische Nationaltheater (TNC) umfasst die Nationaltruppen des Balletts, der Oper, des Theaters, sowie ein Orchester. Vigner vereint - einmalig in der Geschichte des TNC - 35 Mitglieder aller verschiedenen Kunstsparten, um Molière in das Repertoire einzuführen. Lullys Partitur wird zum ersten Mal für traditionelle koreanische Instrumente eingerichtet.

Die Stadt Lorient - L'Orient - wurde 1666, unter Ludwig XIV, als Sitz der Ostindienkompanie gegründet, um die Handelsbeziehungen mit Asien auszubauen. Die neue Siedlung wurde vor allem bekannt, als dort eines der stolzesten Schiffe Frankreichs gebaut wurde, die ‚Soleil d’Orient’. Das mit 60 Kanonen bestückte Kriegsschiff sank irgendwo im Meer vor Madagaskar. Übrig blieb sein Name, nach dem die Stadt getauft wurde. Im Jahr 1669 bestellt der ‚Roi Soleil’ (Sonnenkönig) bei MOLIÈRE und LULLY eine ‚Türkerie’, in der ein Gärtner bloßgestellt werden sollte, der sich als Botschafter des Osmanischen Reiches ausgegeben hatte: LE BOURGEOIS GENTILHOMME (Der Bürger als Edelmann). 

"Im BOURGEOIS GENTILHOMME geht es um das Anders-Sein, und auch um die Zukunft. Der Bürger - und ebenso der türkische Gärtner - ist in den Augen des Königs eine lächerliche Figur, aber nur ein Jahrhundert später entfacht der Bürger die französische Revolution. Molières Werke sind ganz und gar nicht unschuldig, und hinter der Komödie verbirgt sich viel, das mit den Augen der Geschichte gelesen werden kann. DER BÜRGER ALS EDELMANN ist die Geschichte eines noch jungen Mannes, reich, verheiratet, der sich aus Liebe zu einer anderen Frau anschickt, eine ihm unbekannte Welt zu entdecken: die Welt der Künste, die Welt der Musik, des Tanzes, der Poesie, der Sprachkunst, der eleganten Kleidung, der Fechtkunst, ja der Philosophie. Monsieur Jourdain ist ein Mann ohne Kultur, der die Mittel hat, aus Liebe eine Welt zu bauen, die ihn einnimmt."
ÉV

"Schöne Marquise, Ihre schönen Augen lassen mich vor Liebe sterben." [1]

"Molière schrieb das Stück, in dem er auch die Hauptrolle spielte, im Alter von 40 Jahren. Er hat die Liebe kennen gelernt, ist Vater geworden, hat Erfolg gehabt. Was er den Menschen zu sagen hat, ist, dass die Liebe einen Menschen verändern kann. In Frankreich sieht man Monsieur Jourdain eher als eine verstaubte Figur, eine lächerliche Gestalt, alt und grau. Dabei ist er ein Mensch, der bis zur Selbstaufgabe liebt. Für mich ist er keine lächerliche Figur, ganz im Gegenteil."
ÉV

- Ich würde gerne ein kleines Briefchen aufsetzen, das ich dann zu ihren Füßen fallen lassen will.
- Wollen Sie der Dame in Versen schreiben ?
- Nur keine Verse.
- Also nur in Prosa ?
- Nein. Ich will keine Verse und keine Prosa.
- Aber eines von beiden muß es sein.
- Wieso ?
 - Weil es nur Prosa oder Verse gibt, wenn man sich ausdrücken will.
 - Es gibt nur Prosa oder Verse?
 - Alles, was nicht Prosa ist, sind Verse. Und was keine Verse sind, ist Prosa.
 - Wenn ich sage: ‚Nicole, bring mir meine Schlapfen’, dann ist das Prosa ?
[1]

"Monsieur Jourdain spricht noch immer Prosa, ohne sich dessen bewusst zu sein, doch diesmal in Koreanischer Sprache mit französischen Übertiteln. Traditionelle Kostüme von berauschender Schönheit, Bühnenbilder im Glanz von ostasiatischem Lack... zu Lullys Musik, gespielt auf traditionellen koreanische Instrumenten, ein Ballett ferner Kultur, in der jede Geste, jede Bewegung der Hand eine Bedeutung hat. All das, und das Zusammenspiel der Ensembles in einer atemberaubenden Synchronie, hätte ohne Zweifel selbst Ludwig XIV berauscht. Ein Gesamtkunstwerk von einmaliger, wunderträchtiger Schönheit." 
Bernard BabkineMadame Figaro, le 16 septembre 2006

Auf dem Boden der Bühne thront ein weißer Pfau, der stolz im Liebestaumel sein Rad schlägt. Die koreanische Künstlerin EUNJI PEIGNARD-KIM, die seit vielen Jahren in Lorient lebt, erschafft ein Kunstwerk in Schwarzsteintechnik.

"Eric Vigner trägt den Zuschauer von einer Verzauberung zur nächsten. Das Schauspiel ist überall - in Lullys Musik, von den traditionellen Instrumenten der Musiker in wundersamer Weise zum Klingen gebracht, in den atemberaubenden Gesängen und Tänzen der bedeutendsten koreanischen Künstler, in den Kostümen aus Moiree-Seide, in den mit Pfauenfeder geschmückten Paravents. Sobald der leidenschaftliche Jüngling auftritt, der Monsieur Jourdain darstellt, stellt man beglückt fest, dass dieser Bürger als Edelmann endlich dem Schatten der Vergangenheit entrissen worden ist."
Maguelone Bonnaud, Le Parisien, 18 septembre 2006

[1] MOLIÈRE, DER BÜRGER ALS EDELMANN, 2. Aufzug, 4. Auftritt

 

© Photographie: Alain Fonteray, Guy de Lacroix-Herpin, Othello Vilgard
Zusammenfassung der Texte: Jutta Johanna Weiss
Übersetzung aus dem Französischen: Herbert Kaiser
© CDDB-Théâtre de Lorient

Photos: