2009 · Sextett · De Vos · Vigner (DE)

WARNUNG
Wie der Titel deutlich aussagt
spricht das Stück von … Musik.
Ganz im Gegensatz zu der üblichen Auffassung
ist Musik nicht immer zur Beruhigung der Gemüter gut -
manchmal bringt sie das Blut zum Wallen
und macht uns verrückt.
Als er die Chöre der Kinder hörte
vergass GILLES DE RAIS Jeanne.
SEXTETT wendet sich an erfahrene Musikliebhaber.
[1]

SEXTETT ist der dritte Text von RÉMI DE VOS, den Eric Vigner am CDDB in Lorient zur Aufführung brachte, nach JUSQU’À CE QUE LA MORT NOUS SÉPARE (2006) und DÉBRAYAGE (2007). Für die Produktion von SEXTETT im Oktober 2009 arbeiteten mehrere Teams zusammen, die durch ihre Begeisterung für zeitgenössische Literatur mit einander verbunden sind: das CDDB in Lorient, l’Espace Go in Montréal und der Rond-Point in Paris. RÉMI DE VOS schrieb das Stück für 6 Schauspieler, oder richtiger für einen Schauspieler - MICHA LESCOT in engem Kontakt mit fünf Schauspielerinnen, fünf einzigartigen Frauen aus unterschiedlichen Kulturen, aber zusammengeschweißt durch ihren Enthusiasmus für die Kultur, die Sprache und das Theater Frankreichs: ANNE-MARIE CADIEUX und MARIE-FRANCE LAMBERT aus Québec, MARIA DE MEDEIROS aus Portugal, die Wienerin JUTTA JOHANNA WEISS und die Französin JOHANNA NIZARD, die sich ihrer orientalischen Herkunft wohl bewusst ist.  

"SEXTETT ist eine Fortsetzung meiner Arbeit und meiner künstlerischen Freundschaft mit Rémi. In der Geschichte des Theaters finden sich viele begeisternde Abenteuer, die aus der Begegnung eines Autors mit einem Regisseur entstanden sind. Im Theater kann man Form und Inhalt nicht trennen. Der Regisseur gibt – ob er es will oder nicht – dem Vorwurf des Autors eine bestimmte Form. Regie führen ist eine Art zu schreiben – eben auf der Bühne - und in diesem Sinn verwandt mit den anderen Künsten, wie Musik oder bildende Kunst… Der Text nimmt eine dreidimensionale Form an, in Raum und Zeit des Theaters, um hier und jetzt ein Schauspiel zu gestalten. Mit SEXTETT wollten wir gezielt etwas für eben diese Schauspieler schaffen. Wir verbrachten zusammen viel Zeit bei mir zuhause, in der Bretagne. Wir sprachen viel, gingen am Meeresstrand spazieren. Das Wichtigste war ohne Zweifel, etwas gemeinsam zu gestalten und durch das Theater auf unsere eigene Art Zeugnis abzulegen für unsere ureigenste Sicht der Welt und für DIE SEHNSUCHT NACH DEM THEATER ÜBER ALLE GRENZEN HINWEG. (DÉSIR EN TOUS SES ÉTATS)."
ÉRIC VIGNER

SIMON.
"Schubert. Ein Schubertlied. Ein Konzert an jenem Tag, da meine Mutter zu Grabe getragen wird. In meinem Zuhause. Meine Mutter, die niemals Musik hörte. Im Haus meiner Mutter gab es nie Musik. Meine Mutter hasste Musik. Es ist der erste Tag meiner Trauerzeit. Das erste Mal, dass meine Mutter stirbt."
[1]

"Haben LESCOT, DE VOS und VIGNER mit der Produktion von SEXTETT etwa ein neues Genre erfunden – das Theaterfeuilleton? Also ein fortgesetztes Projekt, in dessen Rahmen, im selben Bühnenbild, von Stück zu Stück, die Geschichte die psycho-erotiko-sentimentale Erziehung eines Jungen von heute weitererzählt wird? Zweifellos, und das mit der Präzision einer Kunst der Phantasie…"
EMMANUELLE BOUCHEZ, Télérama, 17 octobre 2009

"ÉRIC VIGNER gibt seinem jungen Lieblingsschauspieler Gelegenheit, das eher zufällige Zusammentreffen von Eros und Thanatos zu gestalten. In der Rolle des Simon kann sich MICHA LESCOT kaum den Reizen des überwältigenden Quintetts von libidinösen Frauen entziehen, deren Hitze zu einer gesanglichen Orgie implodiert, zur Enthüllung von Simons Herkunft. DE VOS reizt den Appetit der fünf Frauen, die einander befehden, führt zu einer sexuellen Kehrtwendung…in deren Verlauf eine Hund-Frau namens Walküre die Führung des Rudels übernimmt. Wo Chorgesang und Kastration gemeine Sache machen, kann auch Schubert unsere Phantasien nicht zügeln - nur ein Todeskuss, der alle Gegensätze auflöst."
theothea.com, 9. November 2009

"Und glücklicherweise sah man nicht alles auf der Bühne. (…) Dunkle Bereiche des Unbewussten, Bilder verwandt mit der Symbolik von Träumen – ein Theater, in dem der Körper mehr sagt als Worte. Ein Universum fern alles Realismus und aller Klarheit. VIGNER möchte der ‘Ästhetik wieder den ihr im Theater zustehenden Platz einräumen’. Er tritt für ein Theater als Kunstform und und Ort der Suche ein. Seine Inszenierung lässt keinen Zweifel an den Einflüssen, auf denen sie aufbaut: ALMADOVAR,FELLINI, Comics… Was die Besetzung anlangt, schlagen sich die Darsteller ausgezeichnet, und die explosive Leistung des Franzosen MICHA LESCOT erstaunt und überzeugt. Sein Spiel, ausrastend und physisch, lässt ihn gleichsam über der Bühne schweben - faszinierend!" 
LUC BOULANGER, Le Devoir, Montréal

[1] RÉMI DE VOS, SEXTETT, Actes Sud 2009, Auszüge in Deutsch von HERBERT KAISER

 

© Photographie: Alain Fonteray
Zusammenfassung der Texte: Jutta Johanna Weiss
Übersetzung aus dem Französischen: Herbert Kaiser
© CDDB-Théâtre de Lorient