2006 · Jusqu’à ce que la mort nous sépare · De Vos · Vigner (DE)
Am 10. Oktober 2006 bringt Eric Vigner in Lorient JUSQU’À CE QUE LA MORT NOUS SÉPARE von RÉMI DE VOS mit CATHERINE JACOB, MICHA LESCOT («…Où boivent les vaches.» 2003) und CLAUDE PERRON heraus.
JUSQU’À CE QUE LA MORT NOUS SÉPARE (BIS DASS DER TOD UNS SCHEIDET) ist eine Komödie für drei infernalische Schauspieler, eine Familiengeschichte voll des schwarzen Humors. Ein Sohn kommt nach den Trauerfeierlichkeiten mit der Urne, die die Asche der Großmutter enthält, in das Haus seiner Mutter zurück - die Ausgangssituation für eine Verstrickung in meisterhafte Situationskomik.
"Ich gehe immer vom Text aus, die Geschichte allein genügt nicht. Ich entwickle meine Inszenierung auf der Grundlage eines Textes, in dessen Wesen ich mich wieder erkenne... am Atmen, an der Denkweise, der Sensibilität, der Energie, einer Bewegung, und das versuche ich, mit anderen zu teilen - so wie man ein Buch an einen Freund weitergibt."
ÉRIC VIGNER
"Anlässlich des Todes seiner Großmutter, findet ein Mann zu seiner Mutter zurück, die er seit einigen Jahren nicht mehr besucht hatte. Das Wiederfinden fällt nicht leicht, aber es bietet auch die Gelegenheit, seine unvergessene Jugendliebe wieder zu sehen. Trotz aller Vorwürfe, die Mutter und Sohn einander an den Kopf werfen, und eines Zwischenfalls, der alles in Frage stellen könnte, finden sie schließlich wieder zu einander. Das Stück handelt von der Liebe, vom Tod und von der Zeit die vergeht. Es handelt aber auch von Lügen, Hass, Verlangen, dem ganz normalen Wahnsinn - und sicherlich auch von anderen Dingen, die mir aber entfallen sind. Vor zehn Jahren ermöglichte Eric die Aufführung meines ersten Textes und hat dadurch mein Schicksal als Bühnenautor besiegelt. Menschliche Begegnung ist also doch immer noch möglich, und sie ist das Beglückende an der Sache, wenn man für das Theater schreibt, sie treibt einen an, weiterzumachen."
RÉMI DE VOS
Die Ästhetik des Stücks erinnert an jene des Boulevardtheaters, sehr frontal, an die sechziger bis achtziger Jahre, beeinflusst von der amerikanischen Baukultur, mit orangen Teppichen, geraden Linien, Erkern mit großen Fensterflächen, Lamellenjalousien und Wänden aus Imitatsteinen.
"Ich suchte eine neue Form, die dieser neuen Schreibweise entsprach. Es geht nicht um einen realistischen Raum, man kann sich nicht auf diese Ausstattung stützen, es gibt keine Wände. Es ist ein Raum, der eine Bestimmung hatte, der aber nicht mehr benützt wird. Man kann nicht sagen, ob man sich vor der Aufführung befindet oder ob diese schon stattgefunden hat. Und man kann nicht sagen, ob der Raum existiert oder nicht. Ich liebe tragikomische Geschichten, bei denen man nicht genau weiß, auf welcher Hochzeit man tanzen soll."
ÉV
"Im Gedanken an Stilelemente der Popkultur, die lautstark das Design der siebziger Jahre verkünden - dieser Salon, mit seinen teppich-sanft-verkleideten Stufen und seinem riesigen Panoramafenster dessen Ausblick von einer hohe Steinmauer verbaut ist, macht Eric Vigners Dekor zu einem Schmuckstück szenographischen Humors."
Patrick Sourd, Les Inrockuptibles, 9. Jänner 2007
ANNE. Die Plastiktüte !
SIMON. Schnell, schnell, schnell !
ANNE. Oh là là, oh là là...
Sie füllen die Asche und die Scherben der Urne in die Tüte.
SIMON. Oh nein, nein, nein.
ANNE. Da ist noch was draußen. Da ! Beeil’ dich ! Mach schnell !
SIMON. Wo denn ? Wo ?
ANNE. Da ! Mach’ schon... Oh, mein Gott !
SIMON. So. Nichts mehr da...
ANNE. Schau. Nein. Nichts mehr. Alles drinnen. Keine Spuren. Nichts.
Er blickt um sich.
SIMON. Wohin damit ? Jetzt ! Wohin mit der Tüte ?
ANNE. Wohin ? Wohin denn nur ? Wohin ? [1]
MADELEINE. Warum nur hat er dir die Urne gegeben !
ANNE. Warum hat er sie mir gegeben ?
SIMON. Die Urne.
ANNE. Die Urne ?
SIMON. Bitte.
Anne schaut Simon an.
ANNE. Bitte was ?
MADELEINE. Das kann doch wohl nicht wahr sein !
Ich will wissen, warum er sie dir gegeben hat.
Anne schaut Madeleine an.
ANNE. Weil wir heiraten werden.
Simon schaut Anne an.
MADELEINE. Um Himmelswillen. [1]
"Beim Wiedersehen mit seiner Mutter findet sich Simon in einer erstarrten Welt, aus der es kein Entkommen gibt. In der Falle sitzend, hinterlässt der junge Mann, der es in der Außenwelt ,geschafft’ hatte, auf dem Anrufbeantworter seiner Bürokollegen Nachrichten, wie ein Schiffbrüchiger Botschaften per Flaschenpost aussendet. Er ist der Generationenfolge von Frauen um ihn körperlich ausgeliefert, und sein Mobiltelefon ist seine letzte Hoffnung. Simon kehrt zu seinen Ursprüngen zurück, in den Mutterleib, so zu sagen. Um sich zu retten, erfindet er eine Geschichte - eine Situation, der er sich immer hatte entziehen wollen! Wie bei Pinter sieht man nur die Blasen, die an die Oberfläche steigen, die Spitze des Eisbergs. Was unter der Wasseroberfläche ist, muss man rekonstruieren."
ÉV
RÉMI DE VOS erhält für sein Stück JUSQU’À CE QUE LA MORT NOUS SÉPARE den Theaterpreis 2006 der Stiftung Diane & Lucien Barrière "De l’écrit à l’écran et à la scène" (Vom Text auf die Leinwand und die Bühne). Die Übergabe des Preises erfolgt anlässlich der Aufführung des Stücks am Théâtre du Rond-Point in Paris im Januar 2007.
© Photographie: Alain Fonteray, Frédéric Nauczyciel
Zusammenfassung der Texte: Jutta Johanna Weiss
Übersetzung aus dem Französischen: Herbert Kaiser
© CDDB-Théâtre de Lorient